Linienstern Freilassing
Der Bahnhof Freilassing ist völlig aus der Zeit gefallen und scheint in der Ära Nachkriegsdeutschlands steckengeblieben zu sein, ein klassischer Vertreter der Zeit, in der Nutzer der Eisenbahn als „Beförderungsfälle“ behandelt wurden.
Bahnhof Freilassing behindertengerecht machen
Thesenpapier zum barrierefreien Ausbau des Bahnhofes Freilassing, verfasst von Dr. Karl Bösenecker, Verkehrsforum Berchtesgadener Land und Rupertiwinkel e.V., sowie Richard Fuchs Verein "Die Rote Elektrische" Salzburg, überreicht am 1. Juli 2020 an den neuen Landrat Bernhard Kern.
Vereinsabend des Verkehrsforum Berchtesgadener Land & Rupertiwinkel e.V. in der Weißbierbrauerei Freilassing, am 1. Juli 2020 mit Landrat Bernhard Kern.
Ambiente aus der Zeit gefallen
Der Bahnhof Freilassing ist völlig aus der Zeit gefallen und scheint in der Ära Nachkriegsdeutschlands steckengeblieben zu sein. Er ist ein klassischer Vertreter der Zeit, in der Nutzer der Eisenbahn nicht als Fahrgäste, sondern als „Beförderungsfälle“ behandelt wurden. Ein Renommee für den Landkreis Berchtesgadener Land ist das wirklich keines. Der Grenzbahnhof zwischen Österreich und Deutschland war damals Salzburg und nicht Freilassing. Heute wäre das umgekehrt, nur wurde dem nie Rechnung getragen.
Kein einziger Personenlift, keine einzige Rolltreppe, lange Wege, teilweise unrichtige Abfahrtsbeschilderung an den Bahnsteigen und auch die Haltestellendurchsagen sind mangelhaft.
Ein Umsteigen zwischen den bayerischen Zügen, die am Bahnsteig 7/8 ankommen, und den österreichischen Zügen bedarf eines ‚Treppab-treppauf‘ und eines Fußwegs von mehreren hundert Metern.
Barrierefreiheit ein Fremdwort
Selbst soweit Anschlüsse zwischen Zügen bestehen, ist bahnsteiggleiches Umsteigen am Gleis gegenüber meist die Ausnahme. Fußmärsche quer über den Bahnhof Freilassing treppab und treppauf, ohne Lift, Rolltreppen oder zumindest Gepäckförderbänder, im schlimmsten Fall vom Bahnsteig 8 zum Bahnsteig 97, sind keine Seltenheit. Rollstuhlfahrer, beeinträchtige Menschen mit Rollatoren, Reisende mit Kinderwagen, Fahrrad oder auch nur schwerem Gepäck haben das Gefühl, hier unerwünscht zu sein.
Durch diese "Hohle Gasse" müssen alle kommen, die vom Bahnhofsgebäude am Bahnsteig 1 zu den anderen Bahnsteigen 2 - 8 müssen. Da zählt nur Treppensteigen, egal wieviel Gepäck man zu tragen hat!
Durchbindung der Bahnsteigunterführung zur Rupertusstraße verlangt die Logik
Zwar wird derzeit ein barrierefreier Umbau des Bahnhofs Freilassing geplant. Nach dieser Planung soll der künftige barrierefreie Zugang zu den Bahnsteigen für die Bahnbenutzer, die von nördlich der Bahnanlage kommen oder dorthin wollen, über die östlich parallel zur Personenunterführung gelegene städtische Fuß- und Radwegunterführung und den Bahnsteig 1 erfolgen. Hierbei wird nicht berücksichtigt, dass diese Unterführung wegen zu steiler Rampen nicht die rechtlichen Anforderungen an Barrierefreiheit erfüllt. Somit wäre nach derzeitigem Stand für ca. 80% der Freilassinger Bevölkerung, die nördlich der Bahn wohnen, aber ebenso die Personen, die ihren Arbeitsplatz in diesem Teil der Stadt haben, und diejenigen, deren Ziel die Geschäfte in der Freilassinger Innenstadt sind, somit eine große Zahl von Bahnbenutzern auch künftig kein barrierefreier Zugang zur Bahn gegeben. Aber auch wenn die städtische Fuß- und Radwegunterführung den Anforderungen an Barrierefreiheit angepasst werden sollte, bliebe der weitere gravierende Mangel der derzeitigen Planung, dass der Weg durch diese Unterführung zum Bahnsteig 1 und von dort zu den weiteren Bahnsteigen für den genannten Personenkreis einen erheblichen zeit- und kräftezehrenden Umweg bedeuten würde.
Allein der Zugangs-Fußweg von der Stadt Freilassing durch die bestehende Unterführung zu Bahnsteig 1 über die Treppen bis zu den Bahnsteigen 7/8 verschlingt viel unnötige Zeit, die man sich mit einem direkten Zugangsweg in einer durchgebundenen Unterführung vom Sonnenfeld her, ersparen könnte.
Neben diesem erheblichen Umweg hat die vorliegende Planung den weiteren wesentlichen Nachteil, dass alle Benutzer des barrierefreien Zugangs, gleich welchen Bahnsteig sie ansteuern bzw. von welchem Bahnsteig sie kommen, den Weg über den Aufzug am Bahnsteig 1 nehmen müssen. Dies wird absehbar zu einer Überbeanspruchung dieses Lifts mit längeren Wartezeiten für die Benutzer und einer erhöhten Störanfälligkeit führen.
Der derzeitige "Sackgassen-Tunnel" ist gegenwärtig die einzige Möglichkeit, vom Bahnsteig 1 zu allen anderen Bahnsteigen 2 - 8 zu kommen. Lediglich der "österreichische Bahnsteig" 96/97 ist ebenerdig erreichbar.
Demgegenüber können bei einer Durchbindung der Personenunterführung nach Norden, wenn diese dort mit einer Rampe an die Oberfläche geführt wird, auch die Benutzer der Bahnsteige für die Gleise 2/3, 4/5 und 7/8 „ihren“ Bahnsteig jeweils mit nur einer Aufzugsfahrt erreichen, was zusätzlich zur Vermeidung des Umwegs über den Bahnsteig 1 durch den Entfall der zweiten Aufzugsfahrt einen weiteren, gerade für Pendler wichtigen Zeitgewinn bedeutet.
Während man im Salzburger Hauptbahnhof in die meisten Nahverkehrszüge barrierefrei ebenerdig einsteigen kann, kann man im Bahnhof Freilassing, wie man im Bild Mitte sehen kann, in den Meridian-Triebwagen nur über einer größere Stufe einsteigen.
Die Durchbindung der Personenunterführung zur Rupertusstraße ist darüber hinaus nicht nur zur Erreichung wirklicher Barrierefreiheit erforderlich, sondern auch zur Verkürzung des Zugangs der Bahnnutzer aus den nordwestlich der Bahnanlagen gelegen Wohngebieten, zu denen künftig das große Wohngebiet „Sonnenfeld“ hinzukommen wird, absolut wünschenswert. Sie würde die Akzeptanz und Attraktivität des Bahnhofs Freilassing insgesamt erheblich steigern und somit zusätzlich dem in allen Regional- und Landesplanungen ausgegebenen Ziel der Förderung des öffentlichen Verkehrs dienen.
Zu berücksichtigen ist schließlich, dass wenn die Durchbindung der Personenunterführung zur Rupertusstraße nicht jetzt im Rahmen des anstehenden Umbaus des Bahnhofs Freilassing verwirklicht wird, auch Synergieeffekte vertan werden und eine Realisierung in der Zukunft unwahrscheinlich wird.
Zwischen Personentunnel und Bahnsteig gibt es ausschließlich Stufen.
ABS 38 als Chance für einen perfekten Umbau des Bahnhofes Freilassing
Der Bau der ABS 38 Mühldorf – Freilassing – Salzburg bietet die einmalige Chance eines vollkommen barrierefreien Ausbaues des Bahnhofes Freilassing. So wird ein ICE-fähiger Mittelbahnsteig mit mindestens 300 Metern Länge, im Bereich der Gleise 7/8 benötigt. Andererseits müssen diese Gleise für die Durchfahrt von Schnellzügen für 100 km/h ausgelegt sein.
Mit dem Ausbau der ABS 38 muss auch der Bahnhof Freilassing dafür ausgelegt werden.
Der barrierefreie Ausbau des Bahnhofes Freilassing muss zeitgleich mit der Planung und dem Ausbau der ABS 38 erfolgen.
Mit der aktuell in Österreich beschlossenen Auflassung der Kurzstrecken-Flugverbindung Salzburg – Wien kommt der ABS 38 Salzburg – Mühldorf – München, als Zubringer zum Münchener Flughafen, noch gesteigerte Bedeutung zu.
Auf der Schiene im Nahverkehr von Bayern nach Salzburg
Der Bahnhof Freilassing, als Tor für den SPNV (Schienen-Personen-Nahverkehr) Richtung Salzburg, wird extrem aufgewertet, wenn die Regionalstadtbahn mit Innenstadttunnel in und durch die Stadt Salzburg zwischen 2025 bis 2027, also in wenigen Jahren, in Betrieb geht! Dann erlangen die nach Freilassing führenden Bahnstrecken von Traunstein, Mühldorf und Berchtesgaden im Nahverkehr in Richtung Innenstadt von Salzburg, von Freilassing kommend, größte Bedeutung und der Bahnhof Freilassing wird als „Linienstern Freilassing“ zu einem bedeutenden Nah- und Fernverkehrsknoten.
Im Bahnhof Freilassing treffen sich vier Eisenbahnverkehrsunternehmen, Südostbayernbahn, Meridian, ÖBB und Berchtesgadener Land Bahn. Zusammen mit der ABS 38 und einer fahrplanmäßigen Koordinierung könnte hier der "Linienstern Freilassing" Wirklichkeit werden.
Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Verkehrsinitiativen-Vereine wird kaum mehr spürbar, als beim Bahnhof Freilassing, beim Linien-Stern und der ABS 38.
Thesenpapier Bahnhof Freilassing